Fake News

Kann Rotwein gesund sein?

Ist ein Glas Rotwein pro Tag gut für das Herz-Kreislaufsystem? Immer wieder tauchen Forschungsergebnisse auf, die das nahelegen. Stimmt das?

Das berühmte „Glas Rotwein pro Tag“ soll angeblich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Aber warum eigentlich? Rotwein erhält – anders als Weißwein – Resveratrol. In unterschiedlichen Studien fanden Forscher*innen heraus, dass Resveratrol einen Botenstoff im Körper aktiviert, der Blutgefäße vor Verkalkung schützt und so z. B. Herzinfarkte weniger wahrscheinlich macht. Daraus leiten einige Wissenschaftler*innen ab, dass Rotwein in Maßen gut fürs Herz sein kann.

Was ist dran am "gesunden Rotwein"?

Das Problem an der Sache: Die entsprechenden Studien beziehen sich auf sogenannte In-Vitro-Versuche. „In Vitro“ bedeutet so viel wie „im Glas“: Gemeint sind Labortests, die außerhalb des menschlichen Körpers stattfinden. Doch die Ergebnisse solcher Versuche lassen sich nicht ohne weiteres auf die echte Welt übertragen, wie mehrere Wissenschaftler bestätigen:

„Versuche mit Einzelsubstanzen in der Kulturschale sagen nicht viel aus.”

Prof. Dr. Ulrich Keil, Epidemiologe, Universität Münster

„Im Tierversuch und in In-vitro-Studien kann Resveratrol Gefäßverkalkungen verhindern, aber beim Menschen fehlen robuste klinische Studien, die irgendeine präventive Wirkung belegen.”

Dr. Kailash Prasad, Epidemiologe, Universität Saskatchewan (Kanada)

Im Reagenzglas funktioniert's, bei Menschen nicht

Dass Rotwein kein Gesundheits-Wundermittel ist, konnten Forscher*innen mittlerweile in mehreren breit angelegten Versuchsreihen mit menschlichen Proband*innen zeigen. In einer zwei Jahre dauernden Studie mit Diabetespatient*innen wurde überprüft, ob gemäßigter Rotweinkonsum tatsächlich der Verkalkung von Gefäßen vorbeugt.

Das Ergebnis: Die Wissenschaftler*innen konnten nur in wenigen Fällen einen positiven Effekt von Rotwein feststellen – und wenn, war der Effekt minimal. So minimal, dass man deswegen keineswegs pauschal behaupten kann, Rotwein sei gesund.

Geld regiert die (Studien-)Welt

Aber wie kann es dann sein, dass es nicht nur eine, sondern viele Studien gibt, die Rotwein als „gesundes“ Getränk darstellen? Die Lösung ist einfach: Häufig kommen derartige Ergebnisse bei wissenschaftlichen Testreihen zustande, die die Weinindustrie finanziell unterstützt.

Das ist gar nicht so überraschend, schließlich gehen auch Öl-, Chemie- oder Tabakkonzerne ähnlich vor. Bei allen Studien und Veröffentlichungen gilt also: Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen, wer hier was genau erforscht hat – und wer von einem bestimmten Ergebnis profitiert.

  • Hua, Yuan und Ronen Marmorstein (2013): Red Wine, Toast of the Town (Again), [online]
  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (2016): Neue Studien: Alkohol schützt das Herz doch nicht, [online]
  • Golan, Rachel et al. (2018): Effect of wine on carotid atherosclerosis in type 2 diabetes: a 2-year randomized controlled trial, [online]